Leiharbeit – aktuelle Rechtsprechung

Leiharbeit ist ein zentraler Bestandteil des modernen Arbeitsmarktes und wirft immer wieder rechtliche Fragen auf. Besonders bedeutsam ist dabei die Frage, unter welchen Bedingungen überlassene Arbeitskräfte als Arbeitnehmer des Beschäftigerbetriebs angesehen werden. Der Oberste Gerichtshof (OGH) hat hierzu in einer aktuellen Entscheidung (9ObA65/20d) eine wesentliche Klarstellung getroffen.

Leiharbeit und Eingliederung in den Beschäftigerbetrieb

Überlassene Arbeitskräfte, die länger als sechs Monate im Beschäftigerbetrieb tätig waren und dort eingegliedert sind – beispielsweise durch Weisungsgebundenheit oder die Beantragung von Urlaub –, wurden in der Vergangenheit oft als Arbeitnehmer des Beschäftigerbetriebs gemäß § 36 ArbVG eingestuft. Diese Sichtweise basierte auf der Annahme, dass eine längerfristige Beschäftigung eine stärkere Bindung und Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Beschäftigerbetriebs nach sich zieht.

Keine Mindestbeschäftigungsdauer erforderlich

Die aktuelle Rechtsprechung des OGH bringt jedoch eine wesentliche Änderung: Überlassene Arbeitskräfte können auch dann als Arbeitnehmer des Beschäftigerbetriebs im Sinne des § 36 ArbVG gelten, wenn sie keine Mindestbeschäftigungsdauer erfüllen. Entscheidend ist allein die faktische Eingliederung in den Betrieb, unabhängig von der Dauer der Überlassung. Mit dieser Entscheidung wird deutlich, dass der Schutz von Leiharbeitnehmern nicht erst nach einer längeren Tätigkeit im Beschäftigerbetrieb greift, sondern von Anfang an besteht.

Leiharbeit und betriebliche Mitbestimmung

Ein weiteres Thema, das in der Rechtsprechung beleuchtet wurde, betrifft die betriebliche Mitbestimmung. Überlassene Arbeitskräfte können zwar auch von einem Betriebsrat des Überlasserbetriebs vertreten werden, doch das ändert nichts an ihrer möglichen Einstufung als Arbeitnehmer des Beschäftigerbetriebs. Das ArbVG und das Arbeitskräfteüberlassungsgesetz (AÜG) bieten keinen Hinweis darauf, dass eine zeitliche Einschränkung bei der Vertretung durch den Betriebsrat besteht. Somit besteht das Bedürfnis der Arbeitnehmer an einer wirksamen Mitbestimmung im Beschäftigerbetrieb von Beginn an.

Fazit zur aktuellen Rechtsprechung

Die jüngsten Entscheidungen verdeutlichen, dass die rechtliche Stellung von Leiharbeitnehmern zunehmend gestärkt wird. Arbeitgeber in Beschäftigerbetrieben sollten sich dieser Entwicklungen bewusst sein und sicherstellen, dass sie die rechtlichen Vorgaben einhalten, um Konflikte mit Arbeitnehmervertretungen zu vermeiden. Die Leiharbeit bleibt ein dynamisches Rechtsgebiet, das sowohl für Arbeitnehmer als auch für Arbeitgeber immer wieder neue Herausforderungen und Chancen bietet.